KAVN
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KAVN 2011 UNSICHER - Text von Wenzel Mracek |
KünstlerInnen: Jörg Auzinger//Adjustierung des Glücks / ONA B//NIGREDO TREE / EINHORN NR. EINS//OT / Christian Eisenberger//cocons / EXTOFITA (oblak|pruckermayr|strobl|zmölnig)//gumotextofita / Martin Gansberger//UNsicher / Seppo Gründler//Eröffnungskonzert / Renate Mihatsch//Mein Pool, dein Pool / Claudia Nebel//unser ich / Flora Neuwirth//clubblumenLodge # 2 / erwin stefanie posarnig (PLIANT)//enttarnung ohne rapport / Nicole Pruckermayr//SULMHAUTEN / Eva Ursprung//Geschütz / Markus Wilfling//Entflaggung / Sylvia Winkelmayer//sicher nicht, 2011 / Josef Wurm//OT / Les Tardes Goldschayder//OT / Roman Plank//OT |
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Unsicher ist die Welt, doch
Rettung lauert überall
Sofern man die Geschichte der Irrfahrten des Odysseus auf der Suche nach Analogien in der
Gegenwart weiter schreibt wie die Philosophin Rebekka Reinhard1, könnte man das Bild
des sicherheitshalber an den Mast gefesselten Königs von Ithaka vor den allwissenden
und mit ihrem Wissen lockenden Sirenen in einem aktuellen Werbesujet für Smartphones
wieder erkennen. Ein weltumspannendes Netzwerk zur Datenübertragung, in das man sich
eben per Smartphone jederzeit einloggen kann, soll potentiellen KäuferInnen das
Gefühl von Sicherheit vermitteln, sobald sie das allseits abgesicherte wie versicherte
Habitat ihres geregelten Alltags verlassen wollen, um sich - meist nicht weniger
organisierten - Abenteuern in der freien Natur auszusetzen. Das Angebot auf dem Stand
der Zeit befindlicher Technologie, deren Schlüssel man als Smartphones allenthalben
mit sich führt, erscheint als allumfassendes Sicherheitsnetz, das den Abenteurer
auffängt, sobald die von der Produktwerbung avisierte Freiheit überhand zu nehmen
droht. Bevor man im unbekannten Abseits der Sicherheitssysteme verloren geht, meldet man
sich in der Matrix zurück. Die Ambivalenz solchen - eigentlich oktroyierten -
Verständnisses von Sicherheit geht allerdings auf Kosten der Erfahrung, der Entdeckung
von bisher Ungekanntem und schließt weitgehend selbst bestimmtes Handeln aus; was
Sicherheit verspricht, bedingt auch Einschränkung, beziehungsweise führt die
Sicherheit der Matrix auch zur Kontrolle der Individuen. In der nun zweiten Ausstellung deklinieren Künstlerinnen und Künstler mit dem hier auch als Kurator fungierenden Erwin Stefanie Posarnig anhand ihrer Arbeiten ein Spektrum zum Thema durch, das im Vorjahr (2010) noch mit SICHER? betitelt war und im Innenraum Schaumbad (Graz) gezeigt wurde, während die rezente Folge UNSICHER (2011) im Freiraum Zum Steinernen Wehr, im sogenannten Sulmbad (Kaindorf an der Sulm, Stmk.) eingerichtet wurde. Das Areal des privat betriebenen, öffentlichen Flussbades in einem Überschwemmungsgebiet der Sulm steht eigentlich selbst schon metaphorisch für das Thema. Josef Wurm hatte, trotz Warnungen des Betreibers Franz Pratter, seine Installation an einem prekären Ort, auf einer kleinen Insel, platziert. In der Form des Schalldeckels eines weißen Stutzflügels sah Josef Wurm die größer dimensionierte Form eines Koteletts, dessen Bild er auf den Deckel des Musikinstruments malte. Wenige Tage nach Ausstellungseröffnung kam es zum befürchteten - oder erwarteten - Hochwasser; das absurd anmutende Objekt trieb flussabwärts und ward seither nicht mehr gesehen. Anzunehmen bleibt, dass Wurm - ohne darauf hinzuweisen - die Unsicherheit des Terrains in der Hoffnung auf Hochwasser einkalkulierte. Sein Wandbild am Buffetgebäude dagegen erinnert an die gestische Manier 'wilder' Malerei der 1980er Jahre und bleibt wohl in mehrerlei Hinsicht unbeschadet. Wenn einige der Künstler sichtlich auf die Voraussetzungen reagieren, die das Areal bietet, zugleich jeweils eigenständige Bezüge zu Aspekten von Unsicherheit herstellen, sind Arbeiten wie Enttarnung ohne Rapport von Erwin Stefanie Posarnig eher als im Prinzip ortsunabhängige Kritik eingefahrener Sichtweisen zu lesen. Die Übersetzung von 'Camouflage' bedeutet schon die 'Irreführung'. Das aus dem militärischen Bereich in die Mode übernommene Muster wird durchwegs nach industriell seriellen Verfahren produziert. Das heißt, Strukturen tauchen in Abschnitten immer wieder als gleiche auf. Wenn Posarnig eine Sitzgruppe mit grellen Farbflecken, die sich deutlich von der Umgebung abheben, überzieht, erreicht er gerade den gegenteiligen Effekt von Tarnung. Auch der Rapport, in der Kunstgeschichte wie im militärischen Jargon das immer Wiederkehrende bezeichnend, ist bei genauer Ansicht nicht gegeben, weil sich kein Detail der Struktur wiederholt. Es ist also nicht, was es zu sein scheint – damit kommt paradoxerweise doch wieder die Tarnung ins Spiel. Die von Badegästen meist erwarteten, weil eigentlich bekannten Situationen auf dem Gelände stört Posarnig durch irritierende Eingriffe: Neben gelbe Warntafeln, die Eltern darauf hinweisen, dass sie in gewissen Bereichen in eigener Verantwortung handeln respektive für Handlungen ihrer Kinder zu haften haben, setzt Posarnig form- und farbgleiche Tafeln, auf denen in gleicher Schrift zu lesen ist: 'Antiautoritär erzogene Kinder haften für ihre Eltern!'
Was von Markus Wilflings Performance entflaggung während der Ausstellungsdauer zu sehen blieb, war
ein Fahnenmast, an dessen unterem Ende, knapp über dem Boden also, ein Gummiobjekt in Form einer
ausgebleichten, rotweißroten Fahne angebracht war. Zur Eröffnung am Tag der Arbeit, dem 1.
Mai 2011, wurde dieses Fahnenobjekt gegenüber offiziell staatstragendem Prozedere verkehrt herum
gehisst. Zur rückwärts abgespielten Bundeshymne wurde 'die Fahne'von der Mastspitze nach unten
gezogen. Ich will hier keinen Sinn solcher Performance interpretieren, aber mir erscheint diese Idee von
Markus Wilfling so einfach wie überzeugend: bestehende Elemente eines Kanons eigentlich nicht zu
verändern, sondern im symbolbeladenen Akt einen Zeitverlauf umzukehren. Korrespondenzen bestehen aber auch zwischen einzelnen Arbeiten von Künstlerinnen. Ein Bogenobjekt, geschütz, von Eva Ursprung ist über eine Wasserfläche hinweg ausgerichtet auf Claudia Nebels an einem Mast angebrachten Rettungsreifen mit dem anagrammatischen Titel unser ich. In solcher Konstellation wird das vermeintliche Rettungsgerät zur Zielanweisung und einmal mehr wird der Schutz im Wortstamm des Geschützes zusammen mit dem Rettungsreifen zur materialisierten Metapher der Unsicherheit. Ausnehmend paradox wirkt daneben Martin Gansbergers UNsicher''''. Während das Kürzel 'UN'offenbar auf die Vereinten Nationen verweist, das folgende 'sicher'damit aber auch wieder entkräftet wird, gleicht die weiß lackierte Holzkonstruktion zunächst einem Sperrbalken. Irritierend daran ist die auf den horizontalen Balken gesetzte Zahl 8440. Erst auf Nachfrage erweist sich die Zahl als Längenangabe in Millimetern und das Objekt sich damit als plastische Ausführung eines Maßpfeiles, wie er in technischen Zeichnungen für Längenangaben verwendet wird. In den immer zu berücksichtigenden Toleranzen zeigt dieses Objekt also eine 'präzise'Größe von 8440 Millimetern an - vor nahezu naturbelassenem und unvermessenem Hintergrund.
Ein Bild der Vergänglichkeit, Vanitas, erweiterte Nicole Pruckermayr in mehreren 'Hautabdrucksitzungen'.
Abformungen von Körperstellen in Latex nahm sie einigen, sich zur Verfügung stellenden
Badegästen ab. Diese fragmentarischen 'Relikte'menschlicher Körper wurden in der Folge an ein
Stahlseil gereiht, das über eine Wasserfläche gespannt wurde. Während sich die Zellen des
Körpers über die Dauer eines Lebens immer wieder erneuern, sind die Abformungen Referenzen an
individuelle Personen, die Wind und Wetter ausgesetzt und dem Verfall preisgegeben sind. Die performative
Installation stellt Pruckermayer in einen historischen Bezug zu einem Ritual der Azteken die ihrem Gott des
Frühlings und der Erneuerung Menschen opferten. Deren abgezogene Haut wurde gewendet und dem
Opferpriester angelegt, der sich auf diese Weise im Einfluss Gottes verjüngte. In der Psychoanalyse
wird - eigentlich ähnlich - die Form und Halt gebende Haut als identitätsstiftend für das
Individuum beschrieben, eine Parallele, die zu Christian Eisenbergers Kokons führt. Wie inzwischen bei mehreren Ausstellungen von Erwin Stefanie Posarnig und beteiligten KünstlerInnen werden auch hier im Laufe der Schau weitere Arbeiten aufgenommen. So noch am letzten Tag Mein Pool, dein Pool von Renate Michatsch. Anzunehmen ist, dass diese Installation wohl für einige Zeit erhalten bleiben wird. Steine aus der Sulm hat Michatsch mit hellblauem Lack überzogen, der üblicherweise als wasserundurchlässige Schicht in Swimmingpools aufgebracht wird. Arrangiert zur streng geometrischen Form eines Rechtecks bilden die blauen Steine derzeit einen Übergang zwischen Wasser und Land auf einer kleinen Flussinsel. Gleichfalls hinzu gekommen, und dargestellt auf mehreren Plakaten, ist Flora Neuwirths Konzept eines 'Pavillons für das Bad Zum Steinernen Wehr'. Ob die clubblumenLodge # 2 aber jemals errichtet wird, bleibt unsicher.
Mit einer Performance der Gruppe gumotextofita - Renate Oblak, Nicole Pruckermayr, Edda Strobl und Johannes
Zmölnig - 'klingt' UNSICHER schließlich aus. Die ProtagonistInnen, die als Band im 'wirklichen'
Leben eigene Kompositionen veröffentlichen, kämpfen sich, wie in einer Expedition, mit einem
aufblasbaren Kanu durch die 'wilde'Aulandschaft. Während der abschließenden Flussbefahrung geben
sie vor, auf Pappinstrumenten zu musizieren, während die Musik aus einem CD-Player vom Ufer aus
eingespielt wird. Kurz: gumotextofita scheitern mit ihrem Vorhaben nicht, sie kentern vielmehr mit ihrem
Schlauchboot, um sich sodann gerade noch aus dem kalten Wasser der Sulm ans Ufer zu retten. |