KAVN
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KAVN Zu Sicher? Ein Spiel mit ungewissem Ausgang von Wenzel Mraček Schriftlich antwortete der New Yorker Konzeptkünstler Lawrence Weiner auf eine vor kurzem vom Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark gestellte Frage, ob er Präferenzen hätte, seine Arbeiten im öffentlichen Raum oder lieber in Ausstellungsräumen zu zeigen. Grundsätzlich, meinte er sinngemäß, wäre das für seine Arbeiten nicht von Relevanz, denn: 'THE PRESENTATION OF A CONTEMPORARY WORK OF ART IS ALWAYS A WILD CARD'[1]. Wohl immer schon war es für, im weitesten Sinn, die Kunst bezeichnend, dass zwischen Idee zu einem und Präsentation eines Kunstwerkes eine weite Strecke liegt, die von Ungewissheiten respektive Unsicherheiten geprägt ist, die bei Rezeption in ein nicht weniger ungewisses Nachspiel führen. Wie in anderen Disziplinen - und wie im alltäglichen Leben - sind Künstlerinnen und Künstler mit Problemlösungen verschiedenster Art befasst. Vergleichbar naturwissenschaftlicher Grundlagenforschung muss man sich des Faktums gewahr sein, dass sich im Zug des Heranarbeitens an ein erkanntes Problem immer neue Teilprobleme einstellen, die es zu lösen gilt und es kann sein, dass sich auf solchem Weg das vormals primäre Problem verändert hat. Einer Behauptung, gegenüber der Idee eine vollkommen adäquate Ausführung als Kunstwerk - und sei es ein immaterielles Konzept - gegenübergestellt zu haben, sollte man mit Skepsis begegnen. Ebenso vage erscheint es zwar, in einer Betrachtung von Gegenwartskunst, wie sie hier angestellt wird, zu verallgemeinern; dennoch ist die überlegung angebracht, dass angesichts der im Projekt SICHER? von Erwin Stefanie Posarnig versammelten Arbeiten ein Aspekt der Attitüde dem Verständnis förderlich sein könnte. Mit Attitüde ist im positiven Sinn eine jeweils subjektive Haltung der Künstlerinnen und Künstler gemeint, die mittels Kunstwerk geäußert und damit Rezipientinnen und Rezipienten zur Disposition gestellt wird. Geht man nun davon aus, dass Sicher? wie ein Thema aufzufassen sei, ist hier ein schier endloses Spektrum möglicher Zugänge zwischen Kunst und 'wirklichem' Leben, die eigene Identität der KünstlerInnen betreffend oder die von ihnen in Beziehung gebrachte anderer, eröffnet. Die Verunsicherung, was nun Kunst zum 'Thema' sein könnte, wird meines Erachtens durch das Fragezeichen des Kurators, das er dem im weitesten Sinn politischen Schlagwort nachstellt, umso größer. Was also ist zu tun? Die präsentierten Arbeiten wirken zum Teil wie Paraphrasen auf Körperfunktionen unterstützende oder kompensierende Geräte: so Ona B.s überarbeitete Gehhilfen im typischen Rot, die mit Schuhen ausgestattet zum Bild von Prothesen werden. Philipp Goldscheyders Performance, Collagen und Akkumulationen aus gefundenen Objekten lassen sich aus der Lebenssituation des Drogenabhängigen, auch im Ausstellungsraum für Kunst, nur schwer als Sublimierung lesen. Was 'Heimat' sein könnte lässt Nicole Pruckermayr wie eine Frage offen, wenn sie dem Klischee entsprechendes Bildmaterial mit der Erzählung um die Ausweisung aus einer ehemaligen, damit vermeintlichen Heimat zum Video schneidet. Mit dem Materialbild aus den Scherben einer zerschlagenen Flasche bringt Christian Eisenberger die Gewissheit auf eine metaphorische Ebene, wobei das nun scharfkantige Bild selbst zur potentiellen Gefahrenquelle wird. Schlägt man auf einen Sandsack, ein Trainingsgerät, das Eva Ursprung von der Decke abgehängt hat, sind im Vorraum Maschinengewehr-Salven zu hören - ein Bild des telemachisch entpersonalisierten Fernkampfes. Erwin Stefanie Posarnig handelt in seiner Installation eines Kreuzes aus Stofftieren und einer Unzahl verspielter Lottoscheine vom, hier eher unwahrscheinlichen, Glauben an das Glück. Und noch zynischer Hubert Matt, der auf einer Postkarte den Schriftzug Save trennt: Der Anrufung 'rette' wird so mit dem lateinisch christlichen 'ave' entgegnet, 'lebe'. Mit seinen zum großen Teil auf Improvisation basierenden elektroakustischen Performances ist Seppo Gründler stets auf Gratwanderung zwischen Komposition und Aufführung, so auch anlässlich der Ausstellungseröffnung. ähnlich die Gruppe BloodyRedRabbits im Video einer musikalischen Aufführung, in der auch Säbel, Messer und Schwerter zum Einsatz kommen. Sich selbst und seine Umgebung verunsicherte ILA, indem er einige Zeit mit sichtbarer Pistolen-Attrappe im Holster im Grazer Stadtteil Gries unterwegs war. Ein großformatiges Foto dieser Aktion wie seine unbeschadete Anwesenheit zeugen immerhin vom glücklichen Ausgang des Konzepts. Mit Nice to Meat You! bringt Josef Wurm Fleischteile in ästhetisch anmutende Bilder, zugleich in unheimliche Beziehung zwischen Leben und Tod, wofür nachdrücklich ein Sessel mit Guillotine-Klinge in der Rückenlehne steht. Immer wieder verwendet Markus Wilfling 'Text wie Material, das ich formen kann, das ich in Formen bringen kann'. Zu lesen also ein großformatiger Text um das Befinden eines Erzählers, allein in einer Nacht. Wie ein Gitter oder ein Zaun scheint der Bildzugang zu einer Fotografie von Sabina Hörtner verwehrt. Die Struktur der Schieferfassade einer Scheune wird zur Form des digital vorgeblendeten Netzes am gleichen Bild in zwei Ausführungen, einmal in Silber, einmal in Gold. Und vielleicht hat Flora Neuwirth eventuelle Erwartungen bewusst unterlaufen, indem sie diesmal auf Verwendung des CMYK-Farbmodells verzichtet. Sie arbeitet diesmal mit T-Shirts nach strengem Schwarz-Weiß-Schema.
In die Ausstellung führt ein neutraler korridor (Posarnig) der einerseits sicher leitet, möglicherweise
aber persönliche Entscheidungen um den richtigen Weg beschränkt.
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