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Edgar Sorgo Installation

Kunstetablissement, 26.9.2005, Graz: Edgar Sorgo, Hubert Höllmüller: Luhmann für HeimwerkerInnen

Was ist Niklas Luhmann? Ein Gesellschaftstheoretiker, der die Systemtheorie diskursfähig und manchmal auch diskursdominierend gemacht hat. Das geschieht systemgemäß hauptsächlich über die Form der Mode. Die Qualität einer Theorie liegt in ihrer Anschlussfähigkeit, an Luhmann`s Theorie lässt sich, beherrscht man die entsprechende Sprache, sehr umfangreich anschließen, unabhängig davon, ob man auch an die entsprechenden Sinnhorizonte anschließt. Ein einfaches Prüfkriterium wäre, ob solche Anschlüsse handlungsanleitend sind oder nicht. Zu sprechen, wie eine Theorie spricht, ohne sie zu verstehen ist einfach als zu sprechen und zu handeln wie eine Theorie sprechen und handeln würde. Sicherlich lässt sich handeln und sprechen nicht immer unterscheiden, das liegt aber bloß an der Auswahl der Kontexte. Systemgemäß ist Niklas Luhmann ein Konstrukt. Als Person ist er seit einigen Jahren verstorben.

Was sind HeimwerkerInnen? Eine Kundengruppe, die den tatsächlichen Verschleiß der Objekte, die ihr Heim definieren, uminterpretieren in einen symbolischen Verschleiß, und die deshalb diese Objekte ständig erneuern, ergänzen und ersetzen. Dafür werden ihnen vom Wirtschaftssystem in der Organisation von Heimwerkermärkten die entsprechenden Produkte zur Verfügung gestellt. Was ist der Raum, der Kontext, in dem dieser Vortrag stattfindet? Systemgemäß ein Konstrukt, den ich konstruiere, indem ich spreche, und den Sie konstruieren, indem Sie zuhören. Sie konstruieren diesen Raum und Sie konstruieren diesen Vortrag. Die einfache Übersetzung des Titels lautet: die Systemtheorie nach Luhmann ist so anschlussfähig, dass auch eine systemfremde Gruppe von Personen diese verstehen kann und verstanden werden kann. Das kann ironisch gehört werden. Die Personengruppe, die an Luhmann anschließen kann, ist nicht beliebig, sie ist kontingent. Es ließe sich zum Beispiel auch sinnvoll über KulturpolitikerInnen sprechen.

Was tun HeimwerkerInnen? Sie konstruieren. Eine Sauna im Keller, einen neuen Bodenbelag, eine Gartenhecke. Sie erneuern, ergänzen und ersetzen ihre Heimobjekte nicht nur durch einen Kauf ( denn dann wären sie die Kundengruppe der Möbelmärkte) sie verbinden mit dem Kauf der Produkte auch ihre Umwandlung, ihre Konstruktion zu einem eigenen Produkt. Sie wirtschaften nicht. Das Wirtschaften erledigen die Baumarktketten und ihre Zuliefernetze. Sie freizeiten. Wenn sie konstruieren, unterliegen sie einem systemtheoretischen Dilemma: Sie bewegen sich zwischen einer Konstruktion, und der Symbolisierung einer Konstruktion. Der Unterschied ist: Eine Konstruktion erfüllt eine Realitätsfunktion, dafür muss die konsensfähig sein. Irgendjemand muss ihr zustimmen können. Die Sauna muss uns zu halben Finnen machen, der neue Boden muss schöner glänzen als der alte und die Hecke uns vor Sicht schützen. Mit dem Konsens wird sie Realität. Eine Symbolisierung ist das Versprechen einer Konstruktion. Sie verdoppelt die Ebenen: Die Symbolisierung ist systemgemäß ebenfalls konstruiert, erfüllt die Funktion eines Versprechens und braucht dafür einen Konsens. Wir werden halbe Finnen sein und der Boden wird wie Gold glänzen. Aber auch der Inhalt der Symbolisierung ist eine Konstruktion und braucht wieder einen Konsens. Wir wollen halbe Finnen sein und sichtgeschützt ebenso und wir wollen einen Goldglänzboden. Verkürzt: Konstruktion ist kommunizierte Realität. Symbolisierung ist kommunizierte Noch-nicht-Realität, die von einer Anstatt-Realität nicht zu unterscheiden ist. Der mit Geräten vollgeräumte Werkzeugschuppen symbolisiert, was alles damit konstruiert werden könnte. Aber, das Werkzeug ist nicht das Werk. Die halbfertige Sauna symbolisiert die fertige Sauna. Aber, das halbe Werk ist nicht das Werk. Und auch die fertige Sauna symbolisiert: Eine Art gemütliches und gesundes Leben, dass man deshalb nicht so leben muss. Das Werk ist noch nicht die Wirkung. Die Botschaft der Baumarktketten ist eindeutig. Sie lautet: Symbolisiere das Bauen! Und nicht: Baue! Genau formuliert: Konstruiere funktionale Symbolisierungen und nicht funktionale Konstruktionen. Schaffe nicht Realität, schaffe Noch-Nicht-Realität und damit Anstatt-Realität. Reduziert gesprochen: das Reden über das Handeln ersetzt zuerst das richtige Handeln (womit man Qualität nicht mehr feststellen muss sondern bloß behaupten oder versprechen), und dann das Handeln überhaupt.

Warum? Weil es einfacher und schneller für den Kommunikationsablauf ist, sich auf eine andere Symbolisierung zu einigen als auf eine andere Realität. Baumarktketten müssen immer wieder etwas Neues verkaufen. Leg dich also nicht darauf fest, dass du leben willst wie ein Finne, wenn wir doch schon den überdachten Wellnesspool prospektieren. Das funktioniert, weil nicht das Heimwerken ein Funktionssystem ist, sondern die Heimwerkerwirtschaft. Es funktioniert auch nicht für die HeimwerkerInnen, es funktioniert ausschließlich für das Funktionssystem. Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s der Wirtschaft gut, auch wenn’s allen anderen schlecht geht. Dabei bilden HeimwerkerInnen vordergründig einen Bereich, wo Konstruktionen tendenziell mehr zählen als Symbolisierungen. HeimwerkerInnen sind als Menschen der Tat konstruiert und nicht als KommunikatorInnen. Das funktionierte allerdings nur so lange, bis sich das Wirtschaftssystem mit eigenen Organisationen ihrer angenommen hat. In Funktionssystemen der Gesellschaft läuft es folgendermaßen: Symbolisierungen ersetzen Konstruktionen und die Funktionssysteme lösen sich immer mehr von konstruierten Realitäten, die durch Konsens bestätigt werden müssen. Der Prozess ist einfach: Für den Konsens, der für Symbolisierungen notwendig ist, werden ExpertInnen konstruiert. Damit werden alle anderen als Nicht-Experten ausgeschlossen. Diese ExpertInnen legen die Symbolisierungen fest. Nachdem jede Realität nur als Kommunikation möglich ist, ist der Prozess des Symbolisierens prinzipiell nicht unterscheidbar vom Prozess des Konstruierens. Symbol und Symbolisiertes ist verwechselbar, soll verwechselbar sein. Klären könnte eine Prüfung, aber prüfen dürfen nur ExpertInnen. (Und jede/r außerhalb des Systems, aber das hat keine Bedeutung für das System, weil es ja außerhalb liegt.) Es kann immer eines von beiden der Fall sein, es kann immer eines von beiden gemeint sein, es ist immer doppelt kontingent. Eine Antwort wäre, dass man dem System das Symbolisierte nicht glaubt. Aber kein System ist darauf angewiesen, dass man ihm glaubt. HeimwerkerInnen sind daruf angewiesen, dass ihnen ihre Konstruktionen geglaubt werden, zumindest von PartnerInnen und Kindern. HeimwerkerInnen können dem entkommen, indem sie statt freizeiten haushalten. Aber Haushalten ist ein ernstes Geschäft. Es operiert mit möglichst wenig Symbolisierungen und möglichst viel funktionalen Konstruktionen. Deshalb ist dieser Fluchtweg in die andere Richtung frequentierter. Symbolisierungen erschweren zwar das Leben, aber sie erleichtern den Sinn. Wer allerdings funktionale Konstruktionen vorzieht, sollte sein Heim nicht be-werken, sondern seine Behausung be-halten.

Diese Installation hier, die inzwischen zur Errichtung dieses Raumes beigetragen hat, ist eine solche Konstruktion und keine Symbolisierung. Sie zeigt, wie Konstruktion und Symbolisierung durch ExpertInnengruppen vertauscht werden, und wie BeobachterInnen dies nachvollziehen, bis die Konstruktion verschwindet und die Symbolisierung übrig bleibt. Wie gesagt erschwert das zwar das Leben, aber es erleichtert den Sinn.

Danke für Ihre Mitarbeit. Schönen Abend.


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