KAVN
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KAVN 2013 'Einschmiegen' inoffizielle _ offizielle Eingriffe / Kunst schmiegt sich ein / Kunst schmiegt sich an - Text von Franz Niegelhell KünstlerInnen: Nina markant // Georg Dinstl // Markus Wilfling // Josef Wurm // Jörg Auzinger // Beba Fink // Erwin Stefanie Posarnig // Alfred Boric // Claudia Nebel // Carrotti // Christian Eisenberger // Robert Findling // Elisabeth Prohaszka // Bernhard Wolf // Flora Neuwirth // Werner Reiterer // Wolfgang Temmel // Ronald Kodritsch // Gerlinde Schefzik // Feto Ertl
Einschmiegen Schmiegen hört sich nach Kuscheln an. Wie eine Mischung aus anlehnen und schmeicheln. Schmiegen kann auch bedeuten sich etwas anpassen und gleichzeitig einen weichen Zustand ihm oder ihnen gegenüber einzunehmen. Erwin Stefanie Posarnig macht in seiner Kunst weder das eine noch das andere. Er - respektive seine Kunst - lehnt sich zwar an gesellschaftliche Verhältnisse an. Aber nur um sie klar zu machen, um sie sichtbar zu machen. Und er - respektive seine Kunst - schmeichelt den Verhältnissen nicht, obwohl sie sich anschmiegt. Höchstens in übertriebener Form um zu zeigen, dass sie manches Mal doch sehr absurd sind. Er zeigt, dass wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern öffentliche Meinungen oft einem Schein huldigen und Umständen applaudieren, die es gar nicht gibt. Posarnigs Kunst schmiegt sich ein. Seine Kunst kümmert sich nicht um die Trennung von Institutionen wie Galerien, Museen, Kunsträumen und Außenwelt und politischer Realität. Sein Projekt 'Einschmiegen' inoffizielle _ offizielle Eingriffe 2013' spielt im öffentlichen Raum, überall, auf Plätzen, in der Natur ebenso wie in privaten Räumen. Auf dem Land, der Wiese, im Wald, im Park, in der Stadt werden sensible künstlerische Eingriffe vorgenommen und dokumentiert. Es gibt künstlerische Ortsrecherchen und daraus resultierende Werke, Agitationen, Aktionen und Präsentationen im öffentlichen und im privaten Raum sowie außerhalb und innerhalb des Kunstsystems. Seine Kunst arbeitet mit dem Umstand, dass sich die Trennung zwischen privat und öffentlich schon längst aufgelöst hat. 'In dieser Entwicklung reflektieren sich gesamtgesellschaftliche Prozesse, wie die verschärfte Ökonomisierung des öffentlichen Raumes und die unter neoliberalen Vorzeichen vorangetriebene Verdrängung des Öffentlichen durch das Private', so Posarnig. Selber sagt er über Inhalt und Ziele seines Projektes 'Einschmiegen': 'Es ist ein verstärktes öffentliches Interesse an Kunst im urbanen Raum erwacht, welches in engem Zusammenhang mit der um sich greifenden Privatisierung öffentlichen Stadtraumes, mit der in den Zentren sichtbar gewordenen forcierten Immobilienspekulation und mit der Vertreibung von Obdachlosen und Marginalisierten aus den Konsumzonen steht'. Und obwohl doch alles so gut funktioniert, die Innenräume der Städte überwacht werden, alles gut durchgeplant ist, sind irgendwie alle unzufrieden. Die Wirtschaft wird gefördert, damit das Sozialsystem erhalten bleiben kann und allen geht es den Umständen entsprechend gut. Auch Geschäfte lassen sich mit allem machen. Und gleichzeitig sind Kunden so etwas wie Futter für Systeme, der Körper ist in den Produktionskreislauf eingebunden, oder ist ein Geschäftsfall für eine Versicherung, viele unserer Daten sind im Internet frei verfügbar. Und natürlich haben wir da auch etwas davon. Viel davon trägt dazu bei, dass das Werkel rennt. Aber es holpert trotzdem. Und irgendwie sind trotzdem alle unzufrieden, die Parteien werden von den Wählern abgestraft, das Wirtschaftswachstum - so es denn eines gibt - sorgt nicht automatisch für neue Arbeitsplätze und das Sozialsystem hat Risse und scheint ramponiert und ein Arbeitsplatz macht nicht automatisch glücklich und kann auch nicht immer die Lebenshaltungskosten finanzieren. Und viel von kollektiver Relevanz (Innovationen, soziale Netzwerke u.a.) findet außerhalb von Institutionen statt. Die gesellschaftspolitischen Entwicklungen lassen Institutionen oftmals alt aussehen. Dass all das nicht ganz friktionsfrei abgeht, ist klar. Institutionen sind mächtig durch ihr Gewicht, durch das sie die Geschichte aufgeladen hat. Aber sie scheinen zunehmend an Macht und Einfluss zu verlieren. Ein immer größerer Teil unserer Kommunikation findet außerhalb ihrer Einflussbereiche statt. Und die Öffentlichkeiten werden zunehmend differenzierter und vielgestaltiger. Dass viele Institutionen des österreichischen Staatswesens trotzdem so weiter machen wie bisher nur weil ihnen nichts Besseres einfällt, ist in dem Zusammenhang nur ein Symptom für die Trägheit von Systemen. Dass wir uns in einem kulturellen Wandel befinden scheint evident. Gleichzeitig ist schwer vorherzusagen wohin diese Reise gehen kann. Posarnigs Projekte reagieren auf diese Zusammenhänge. Manchmal schlicht einfach auch nur dadurch, dass sie Unzufriedenheit mit Bestehendem anzeigen. Manchmal dadurch, dass sie sich einschmiegen. Kunst ist demnach für ihn nicht frei flottierend. Sein Ansatz des Einschmiegens zeigt, dass wir in den Umständen drin sind, uns ihnen anpassen, aber auch neue Kanäle für soziales Leben finden. Das gilt klarerweise auch für Kunst. Der Künstler befindet sich da in guter Gesellschaft. 'Der neuen öffentlichen Kunst geht es weder um die Integration weiterer Publikumsschichten in die Museen noch um eine Objektproduktion mit herabgesetzten Zugangsbarrieren. Es geht vielmehr um eine soziale Kunst im konsequenten Sinne, also gemeinschaftliches Handeln in Gruppen, in denen Künstler mit Personen, die außerhalb der Welt des Kunstmuseums und der Galerien stehen, kooperieren.' (zitiert aus Ortsgespräche. Die Zukunft der Stadt in der Diskussion, Annette Loers, Reinhard Knopp Hrsg., Düsseldorf, November 2000, ISBN 3-924379-55-6). Kunst in Posarnigs Sinn ist manchmal auch ein Stachel im Fleisch, der sich nicht nur anschmiegt, sondern auch sticht. Da die oben angesprochenen Zusammenhänge mindestens zwei Seiten haben, wird die Sache komplex. Denn Kunst ist bei aller kritischen Reflexivität auch Teil von Systemen, oft auch denen, die sie kritisiert. Sei es durch die Kulturindustrie, sei es durch die Kanäle ihrer Verbreitung. So gesehen ist das Einschmiegen ein Umgang, der sich dieser Komplexität stellt. Denn damit wird dieser Zusammenhang der Zugehörigkeit zum Kritisierten offen gelegt. Und gleichzeitig weist er darauf hin, dass es damit auch um so etwas wie praktische Ästhetik gehen kann. Dass Zeichen, Slogans, die in einem System eine bestimmte Bedeutung haben, in einem anderen etwas gänzlich anderes meinen können. Dass ein und dasselbe Zeichen beispielsweise affirmativ ebenso wie kritische gelesen werden kann. Und die Übergänge zwischen den Bedeutungen manchmal fließend sind. Erwin Stefanie Posarnig lässt ihnen diese Vieldeutigkeit, indem er sie aus ihren angestammten Kontexten nimmt. Und ihnen so die Möglichkeit gibt sich neue Bedeutungen zu geben. |