KAVN
2014 'Einschmiegen' inoffizielle _ offizielle Eingriffe
/ Sensible Eingriffe
- Text von Henriette Horny
KünstlerInnen:
Ishwara Erhard Koren // Josef Wurm // Markus Wilfling // Einhorn Nr. eins // Georg Dinst // Robert Findenig //
erwin stefanie posarnig // Claudia Nebel // Fedo Ertl // KAVN // Wolfgang Temmel // Christian Eisenberger // Karin Frank
// G.R.A.M // Karl Karner // Ronald Kodritsch // Ina loitzl // Michael Petrowitsch // Michael Pinter/Lucyna Viale //
Erwin Stefanie Posarnig // Arnold Reinisch // Werner Reiterer // Judith Rohrmoser // Zweintopf
Unfassbar
Als wäre es nie anders gewesen. Das ist ein Gefühl, eine Stimmung, ein so Sein. Hinschauen,
Hinhören, Hinfühlen. Nichts ist fremd, nichts ist anders, alles ist so. Die Sonne schwingt mit
dem Regen und dem Regenbogen, der Wald mit den Wiesen und der Erde. Alles schmiegt sich an und ein und
aneinander. Und irgendwann zeigt sich, dass alles zusammen passt und miteinander zu einem anderen Ganzen
wird. Das ist nicht neu. Philosophen haben das Phänomen in unterschiedlichen Worten beschrieben.
Pantha Rei, alles fließt, ist ein zum Aphorismus gewordener Satz, der auf den
Vorsokratiker Heraklit von Ephesos zurückgeht. 'Verbindungen: Ganzes und Nichtganzes,
Zusammengehendes und Auseinanderstrebendes, Einklang und Missklang und aus Allem Eins und aus Einem Alles.'
Johann Wolfgang von Goethe formuliert den Wandel im Miteinander naturnah.
Gleich mit jedem Regengusse
Ändert sich dein holdes Tal
Ach, und in dem selben Flusse
Schwimmst du nicht zum zweiten Mal.
Erwin Stefanie Posarnig gehört zu den Künstlern, die dem Tanz der Dinge nachfühlen.
Mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln. In eigenen Kunstwerken und den von anderen,
als Künstler und als Kurator. Egal welche Position er einnimmt, Erwin Stefanie Posarnig ist
immer ein Vermittler. Einer der mit der Zeit geht, der sich bewegt und der die Bewegung zeigt.
Der zeigt, dass wir bewegter Teil eines bewegten Universums sind.
'Ihr Galerist oder Kurator kann Ihnen dabei helfen, die Kunstproduktion aufzugeben',
liest man auf einem Transparent, das Erwin Stefanie Posarnig in den Grazer Alpengarten gestellt hat.
Was im ersten Moment wie ein Fremdkörper aussieht, entpuppt sich bei längerer Betrachtung als
Stein des Anstoßes. Als etwas, das etwas bewegt, das sich selbst bewegt und mit den Dingen der
Umgebung in bewegte Kommunikation tritt. Feinsinnig zeigt sich 'die Zuneigung im Dialog' in Form zweier
Gartensessel, die in Schieflage in einer blühenden Wiese stehen.
Als Kurator setzt er andere ins Bild. Etwa Georg Dinstl, der 'einen Plattenbau für Vögel'
in einen Baum gehängt hat. Mit allem Drum und Dran, was so einen Bau ausmacht. Balkone ebenso
wie die obligatorischen Empfangsschüsseln auf dem Dach. Oder Claudia Nebel, die in Lilith eine,
mit einem Lendenschurz bekleidete Frau am Kreuz hängend zeigt. Lilith, ein magisches Wesen, gilt
als sumerische Göttin, als erste Frau Adams und als Symbolfigur des Feminismus. Wissen muss man
das nicht. Die Frau am Kreuz vor grünenden Bäumen aufgestellt, erzählt ihre eigene Geschichte
und die steht in enger Beziehung zu jeder einzelnen Geschichte der Menschen, die sich mit diesem Marterl
auseinandersetzen.
Markus Wilfling lässt uns die Perspektive wechseln indem er ein Schachtgitter zum Dach erhebt.
Josef Wurm ist der klassische upcycler. Aus ausgedienten Fenstern hat er ein kleines Haus gebaut. Und
wie es so kommt mit leerstehenden Gebäuden, kams auch mit der Wurmskulptur. Kaum war sie aufgestellt
zogen nomadisierende Enten ein und wurden sesshaft. An Wilhelm Reich und seine Orgon Theorie knüpft
Robert Findenig an. Sein gelbes Ei ist ein Orgonobjekt dessen Aufgabe es ist, die energetische Qualität
zu verbessern. Gröber geht Christian Eisenberger zu Werk. Seiner grob behauenen Holzskulptur steckt
noch die Hacke im Leib. Zu dem was es ist, ist alles einmal geworden lautet die Botschaft. Drei
Kardinaltugenden führte Apostel Paulus ins Neue Testament ein. Glaube, Hoffnung, Liebe, lauten die
drei Kardinaltugenden, die Apostel Paulus ins Neue Testament einführte. Einhorn Nr. 1 zeigt die Liebe
als Primärtugend. Sein Globus zeigt Welt voll Liebessymbolen.
Wolfgang Temmel geht's ums Wachsen, wenn er Penisse wie Pilze aus der Erde schießen lässt.
Vielleicht sind es keine Penisse sondern Pilze? Was weiss man letztlich über eine Pflanzenart, von
der rund 100.000 Arten bekannt sind, und über die Fachleute vermuten, dass es 5.100.000 Arten geben
könnte.
Koren stellt die Zeit als langen, gleichmäßig fließenden Fluss mit zarten Wellenbewegungen
dar wenn er sein Tagebuch aus digitalen Bildern aufschlägt.
Grell leuchten Stofftiere, die Erwin Posarnig in eine Astgabel gelegt hat. Natürlich wirken sie nicht,
dennoch ist sicher, dass sie von der Natur aufgenommen werden. Man muss nur lange genug warten. Da kommt
Zeit ins Spiel. Hugo von Hofmannsthal schrieb zum Thema 'Merkt auf, merkt auf! Die Zeit ist sonderbar.
Und sonderbare Kinder hat sie: uns.'
Da lässt es sich gut Zeit verbringen unter einem von Erwin Stefanie Posarnig gestalteten Sonnenschirm.
Error und Terror steht auf den wehenden Teilen, die wie ein Rock im Wind wehen. Was ein Buchstabe alles
ausmachen kann? Eigentlich fast alles. Nur nichts ist nicht dabei.
Reisen ist schön, kann aber auch sehr anstrengend sein. Speziell wenn man Kunst zu
Präsentationszwecken mit sich führt. Erwin Posarnig hat sich von der Welt des
Gütertransports inspirieren lassen und in Berlin eine Containerkunstschau initiiert.
Die Kisten, in die die Kunstwerke verschiedener Künstler+innen verpackt wurden, sind
selbst Skulptur, Sockel und Vitrine, präsentieren Inhalt und sind es auch selbst. Dualität,
Thema der herausquellenden Kunstwerke, wird somit wieder aufgehoben. Die Reise geht weiter.
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